Immer mehr Frauen übernehmen die Führung von Familienunternehmen.
Was früher als Ausnahme galt, wird zunehmend zur Normalität – auch wenn der Weg dorthin noch immer von Herausforderungen geprägt ist. In diesem Beitrag beleuchten wir die Bedeutung der Gespräche am Küchentisch, die nachgelagerte Rolle von rechtlichen und steuerlichen Aspekten sowie die kulturellen Faktoren, die den Nachfolgeprozess beeinflussen.
Familienunternehmen zeichnen sich durch eine hohe Emotionalität und enge persönliche Bindungen aus. Die Gespräche am Küchentisch, die die potenziellen familieninternen Nachfolger*innen in ihrer Kindheit mitbekommen, sind oft der unbewusste Ausgangspunkt für tiefgreifende Entscheidungen über die Zukunft des Unternehmens. Hier werden die Weichen gestellt, ob die Unternehmensnachfolge ein interessantes und lohnendes Lebens-Projekt sein könnte.
In der Unternehmensnachfolge sind rechtliche und steuerliche Überlegungen von großer Bedeutung – aber sie sollten nicht der erste Schritt im Prozess sein. Zunächst geht es darum, eine klare Vision und ein gemeinsames Verständnis innerhalb der Familie zu entwickeln. Sobald die emotionalen und persönlichen Aspekte geklärt sind, kann man sich den steuerlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen widmen, um die Nachfolge auch formal sicherzustellen.
Historisch gesehen war die Unternehmensnachfolge oft durch das Prinzip der „Primogenitur“ geprägt, also die Weitergabe des Unternehmens an den erstgeborenen Sohn. Diese Regel hat in vielen Familienunternehmen bis heute Einfluss. Doch das Bild ändert sich: Immer mehr Töchter treten in die Fußstapfen ihrer Väter, nicht zuletzt, weil sie genauso gut ausgebildet sind wie ihre Brüder – oder sogar besser.
Ein weiterer ungewöhnlicher Begriff, der in Zusammenhang mit Familienunternehmen Bedeutung hat, ist die „Generativität“. Diese beschreibt das menschliche Bedürfnis, etwas zu schaffen, das über das eigene Leben hinaus Bestand hat. In Familienunternehmen bedeutet das oft, die Arbeit und das Erbe der Vorfahren fortzuführen. Während dies für die Söhne manchmal durch den gesellschaftlichen Druck zu einer anstrengenden Pflicht werden kann, erleben die meisten Frauen, die diesen Weg einschlagen, die Verantwortung als sinnstiftend und erfüllend.
Eine neue Generation von Frauen, die in die Unternehmensführung einsteigen, zeigt, dass Nachfolge nicht nur eine männliche Domäne ist. Diese „FamilienUnternehmensNachfolgerinnen“ – kurz „F.U.N.“ – stehen für eine moderne Art der Unternehmensführung, die traditionell männliche Strukturen hinterfragt und verändert. Sie setzen auf partizipative Führungsmodelle, Tandemlösungen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Der Lebensentwurf „F.U.N.“ bietet Frauen die Möglichkeit, nicht nur ihre eigenen beruflichen Ziele zu verwirklichen, sondern auch die Unternehmenskultur in eine Richtung zu lenken, die ihnen entspricht. In einem solchen Umfeld wird die Unternehmensnachfolge zu einer Win-Win-Situation für beide Generationen: Während die ältere Generation Kontinuität erfährt, erhalten die Nachfolgerinnen die Chance, ihre eigenen Vorstellungen von Führung und Verantwortung umzusetzen.
Der Lebensentwurf „F.U.N.“ bietet viele Gestaltungsmöglichkeiten und birgt das Potenzial für eine nachhaltige und erfüllende Unternehmensnachfolge. Frauen, die sich dieser Herausforderung stellen, öffnen nicht nur neue Perspektiven für sich selbst, sondern tragen auch zur langfristigen Stabilität und Weiterentwicklung des Unternehmens bei. Die weibliche Nachfolge ist auf dem Vormarsch – und das aus gutem Grund.
Unternehmensnachfolge klug gedacht, ist unbedingt auch weiblich.
Hören Sie auch in den Podcast „Sinnplauderei“ rein, um mehr über die Herausforderungen und Chancen der weiblichen Unternehmensnachfolge zu erfahren.
Britta J. Reinhardt ist Unternehmensberaterin und Coach für Nachfolgerinnen und Nachfolger in Familienunternehmen. Sie engagiert sich ehrenamtlich im Wiesbadener Institut für Nachfolge-Kultur (WINK), das sich für einen ganzheitlichen Blick auf die Unternehmensnachfolge einsetzt.